Zwei Standbeine
Ausstellung GROSSE KUNST des ISPI e. V. im Weincontor Pfeffermann (Gießen)
Autor: Dr. Ulrich Hain (Gießen), 28. 2. 2010, uhain@t-online.de
Vom 1. 12. 2009 bis 28. 2. 2010 stellten 19 Studierende, Berufstätige und ein Rentner ihre Bilder und Skulpturen im Weincontor Pfeffermann aus. Anlässlich der Finissage am 03. 02. 2010 hielt Dr. Helmut Scharf zur Eröffnung einen Vortrag zum Thema „Art Brut – oder die Emanzipation der Kunst von Menschen in psychischen Krisen.
Bei einer so großen Zahl von unterschiedlichen Künstlerperönlichkeiten und Exponaten ist eine kritische Würdigung kein leichtes Unterfangen, schon gar nicht erschöpfend für jeden Aussteller im einzeln. Gemeinsam ist den meisten, dass “die Kunst“ meines Wissens nur ein Standbein der Existenz darstellt, also das künstlerische Schaffen neben einer beruflichen Tätigkeit bzw. im Studium neben einem oder zwei anderen Fächern steht. Angesichts des unterschiedlichen künstlerischen Gewichts der Exponate ist der letztere
(Plakat von Simone Isenmann)
Hinweis von Bedeutung: Heute, unter dem existenziellen Druck im Beruf oder in der Arbeitslosigkeit bekommt “Kunst“ ein anderes Gesicht als in großbürgerlichen Zeiten mit seinem Mäzenatentum oder als Bestandteil einer breiten und vom Geld getragenen Bildung samt humanistischer Muße. Das heißt, die Zeit für künstlerische Produktion musste bei der Mehrheit der Aussteller einem hektischen Alltag abgerungen werden – in wieweit Kunst dabei der Ab-Spannung dienen kann oder nicht vielmehr weitere An-Spannung und weiteren (Zeit) Druck, ist nur im Einzelfall zu klären.
Die Aussteller und Ausstellerinnen kamen aus “allen“ Altersgruppen von Studierenden bis zu Rentnern. In alphabetischer Reihenfolge: Fanita Benoit, Sybilla Bostedt, Dr. Una Chen, Janina Fraczek, Dr. Hans Gossel, Robert Groos, Simone Isenmann, Silke Kiefer, Josef Krahforst, Jewgeni Kröger, Enrico Menzo, Cornelia Meykemper, Konstanze Richter, Dr. Helmut Scharf, Daniel Schmack, Jessica Sillah, Jens Thomae, Dorothee Winkler, Martin Grohme.
Stellvertretend für den Reichtum an Können und Techniken, die in dieser Ausstellung geboten wurden, seien hier einige Beispiele ohne Wertung herausgehoben. Auch wenn dabei einzelne Namen genannt werden – die Nichtgenannten müssen das bitte entschuldigen. Beherrschend schienen mir die großen Formate in Aquarell, Ölmalerei, Holzschnitt, Acryl und selbstverständlich auch in Mischtechniken, größtenteils in Anlehnung an Gegenständliches. Aber auch abstrakte Farbkraft in Öl von Josef Kraftdorf konnte beeindrucken, oder der große Farb-Holzschnitt auf Leinen von Jessica Sillah. Gekonnte Radierungen im meist kleineren Format von Janina Fraczek und Daniel Schmack zeigten feinen Farbsinn und ansprechenden Ausdruck vor dem Hintergrund sicherer handwerklicher Technik, ebenso die sich in der Gestaltung großer Flächen abhebenden Städtebilder von Jewgeni Kröger. Dass sich fast alle beteiligten KünstlerInnen nicht auf einen Sektor festnageln lassen, zeigte am deutlichsten das Werk von Dr. Una Chen: Raumstrukturen in großformatigen Aquarellen, eine kleine Ölkreidzeichnung von explosiver Farbkraft, mit dem Computer bearbeitete Radierungen eines weiblichen Motivs, dass in Alabaster (klein) und Sandstein (Großformat) variiert wurde.
Kurz: Eine mehr als reichhaltige Ausstellung, die vom freundlichen Ambiente des Weincontors gestützt wurde, gelegentlich bei der großen Anzahl der Bilder aber auch zu ungünstigen “Standorten“ zwang.